Wer am lautesten schreit, hat recht!

Also, eins kann man ihr wirklich nicht vorwerfen, der Nahles: Mangelnden Einsatz. Haben Sie das gesehen? Und vor allem: Gehört? Wie die auf dem SPD-Parteitag vom Leder gezogen hat! Mann, Mann, Mann …

Scheint mächtig Eindruck gemacht zu haben bei den Delegierten. Denn, und da sind sich alle einig, des Schulzens Rede war wohl nicht so der Brüller. Die von Andrea Nahles schon, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wahrscheinlich wäre das Votum des Parteitages sonst anders ausgefallen, und Supermännchen Martin wäre jetzt als Parteivorsitzender Geschichte. Schade eigentlich, aber es bleiben ja noch ein paar Gelegenheiten, ihn loszuwerden. Nicht, dass ich gegen ihn persönlich etwas hätte. Aber ich bin auch nur ein Mensch und will eben recht behalten mit meiner Prognose, dass er sich nicht mehr lange hält.

Doch zurück zum Thema. Die Nahles. Und ihre Rede. Nun ja, was man halt so Rede nennt. Es war ja dann doch eher eine „Schreie”. Man dachte jeden Augenblick, gleich hyperventiliert sie oder verdreht die Augen und mutiert zum Werwolf.

Da frage ich mich ernsthaft, wie die Leute in der SPD drauf sind. Also mich schreckt so etwas eher ab. Ich fühlte mich auch sofort an eine Band erinnert, in der ich mal gespielt habe. Da liefen die Proben meist auch nach dem Motto ab: Wer am lautesten schreit, hat recht. Ehe Sie jetzt auf den falschen Trichter kommen: Nein, das lag nicht an der Schwerhörigkeit der einzelnen Musiker. Obwohl … viel hat nicht gefehlt. Denn das offenkundig oberste Ziel des Trompeters war es, mir bei jeder Probe direkt den Gehörgang freizupusten. Vielleicht wollte er auch einfach nur testen, ob es möglich ist, einen menschlichen Körper mittels der Kraft der Trompetentöne aus dem Fenster zu befördern. Ich habe das Ergebnis des Selbstversuches dann lieber nicht abgewartet und fluchtartig die Band verlassen. Ich finde nämlich, nicht nur der Klügere darf nachgeben, es kann auch mal der Leisere sein. Außerdem schließt das eine das andere ja nicht aus.

Doch den SPD-Mitgliedern scheint ein Selbsterhaltungstrieb wie der meine damals total fremd zu sein. Jedenfalls sind die alle nicht nur brav sitzengeblieben, sondern später in der Abstimmung zum größten Teil auch noch dem hysterischen Gekeife ihrer Fraktionschefin inhaltlich gefolgt. Als ob es wahrer werden würde, dass die SPD sowohl in der letzten großen Koalition als auch in den aktuellen Sondierungsgesprächen große Dinge zum Wohle des Bürgers angestoßen hat, wenn man es nur mit ausreichender Phonzahl und Cholerik verkündete.

Ich kann mir das nur damit erklären, dass die alle total eingeschüchtert waren. Ich meine, wer weiß, ob so eine Furie in ihrer Rage nicht eben mal vom Podium springt und sich im Hals des nächstbesten Genossen verbeißt? Vielleicht nicht gerade beim Schulz, der kratzt bestimmt ganz furchtbar.

Aber ich muss die Delegierten auch mal ein bisschen in Schutz nehmen. Schließlich wurden ihnen knallharte Nachforderungen bei den Koalitionsverhandlungen versprochen. Und zwar wieder nach dem Motto: „Die Union muss jetzt bluten”.

Doch spätestens an dieser Stelle kommt bei mir die Frage auf: Warum kapiert Ihr das eigentlich nicht? Die Union MUSS überhaupt nichts. IHR als SPD habt den Druck. Und zwar von innen selbst aufgebaut und von den Medien nur zu gern verstärkt.

Die Union wird also pro forma ein paar kleine, für sie verschmerzbare Zugeständnisse machen, und das war’s dann. Denn Merkel, Seehofer und Co werden sich in bauernschlauer Voraussicht bei den Sondierungsverhandlungen entsprechende Spielräume offen gehalten haben. Die machen so was schließlich nicht erst seit gestern. Ich muss sagen, diesen Eindruck hätte ich bei der SPD-Führung auch gern mal.

Nein, ich fürchte, Andrea Nahles´ Parteitagstaktik wird da nicht ausreichen. Bestimmt hat der Dobrindt schon mal den Auftrag bekommen, Ohrstöpsel für alle zu besorgen …

 

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